Der Langbogen
Der Langbogen stellt die archaische Grundform des Bogens dar und umfasst alle einfachen, stabförmig gestalteten Bögen. In einem erweiterten Sinn bezeichnet der Begriff auch Bögen mit flachem Querschnitt, sogenannte Flachbögen, die in Europa bereits seit der Mittelsteinzeit nachweisbar sind. Nach deutschem Waffenrecht gilt der Langbogen – wie alle Bögen – nicht als Schusswaffe.
Als Englischer Langbogen bezeichnet man den charakteristischen Stabbogentyp des Spätmittelalters, meist gefertigt aus Eibe oder Ulme, der vor allem durch seinen massenhaften Einsatz in großen Schlachten berühmt wurde. Zwei Merkmale sind für die Definition entscheidend: Die Bogenlänge entspricht ungefähr der Körpergröße des Schützen, und die Sehne berührt den Bogen nur an den Sehnenkerben, den sogenannten Tips.
Geschichte
Die ältesten bekannten Bogenfragmente stammen aus dem Mesolithikum und sind bis zu 10.000 Jahre alt. Der älteste auf britischem Boden gefundene Bogen datiert auf das 3. Jahrtausend v. Chr.
Über die Entwicklung des Englischen Langbogens existieren nur wenige Hinweise. Berichte legen nahe, dass der Bogen spätestens im 5. Jahrhundert auf den Britischen Inseln Verwendung fand und die Waliser bald eine besondere Fertigkeit im Bogenschießen entwickelten. Im Verlauf der Jahrhunderte wurde der Bogen dort zu einer nationalen Waffe, die über lange Zeit hinweg den Ausgang zahlreicher Schlachten beeinflusste.
Herstellung
Im Mittelalter wurden Langbögen überwiegend aus Eibenholz gefertigt. Dabei wurde ein Stamm längs gespalten, wobei der Bogenrücken aus einem durchgehenden Jahresring bestand, während die dem Schützen zugewandte Seite, der Bogenbauch, aus Kernholz herausgearbeitet und durch behutsames Tillern in Form gebracht wurde. Da Eibe in Europa knapp wurde, entstand ein reger Handel, insbesondere aus Süddeutschland und Norditalien. Neben Eibe wurden auch Esche, Ulme und seltener Hasel verarbeitet.
Das Profil des Englischen Langbogens zeigt typischerweise ein schmales D-Querschnittsprofil, das hohe Anforderungen an die Druckfestigkeit des Holzes stellt. Später setzte sich auch die breitere, flachere Bauform durch, die ein angenehmeres Schießverhalten bot und im Englischen als „American Flatbow“ bekannt ist. Neben Eibe gelten heute Osage Orange und Robinie als besonders geeignete Hölzer.
Die Sehnen mittelalterlicher Bögen wurden aus Naturfasern wie Lein oder Brennnessel gefertigt.
Zugkraft und Wirkung
Funde und historische Berichte weisen auf außergewöhnlich starke Bögen hin, deren Zuggewichte teils über 120 englische Pfund (über 50 kg) lagen. Die hohen Belastungen führten bei Bogenschützen nachweislich zu körperlichen Verschleißerscheinungen. Ziel war es, schwere Pfeile mit größtmöglicher Durchschlagskraft zu verschießen – gegen Ketten- und Plattenrüstungen ebenso wie gegen dicke Holzwände. Rekonstruktionen ergaben Pfeilgeschwindigkeiten von etwa 170 bis 180 km/h, was die Wirkungskraft dieser Waffen unterstreicht.
Militärischer Einsatz
Langbogenschützen galten als spezialisierte und hoch trainierte Soldaten. Ein erfahrener Schütze konnte bis zu ein Dutzend Pfeile pro Minute abgeben und dabei Ziele auf 200 Meter treffen. Um die Verbreitung des Bogenschießens zu fördern, wurden gesetzliche Regelungen eingeführt, die bestimmte Bevölkerungsschichten verpflichteten, Bögen zu besitzen und regelmäßig zu üben. So entwickelte sich der Langbogen in England zur Waffe des einfachen Mannes.
In der Schlacht wurden nicht Einzelziele, sondern ganze Flächen beschossen. Massen von Bogenschützen konnten enorme Pfeilsalven abgeben, die für Gegner verheerend waren. Besonders bekannt sind die Siege englischer Truppen in Crécy (1346) und Azincourt (1415), bei denen Langbogenschützen maßgeblich zum Ausgang beitrugen. Auch außerhalb Englands, etwa in Portugal, beeinflusste ihr Einsatz den Verlauf entscheidender Schlachten.
Mit dem Aufkommen von Feuerwaffen ab dem späten 15. Jahrhundert verlor der Langbogen allmählich an Bedeutung. Arkebusen und Musketen konnten Rüstungen effektiver durchdringen, während ihre Handhabung weniger Übung erforderte. Trotz seiner Überlegenheit in der Schussfolge wurde der Langbogen dadurch zunehmend verdrängt.